Solange Methoden immer nur als alternativ, ergänzend oder komplementär betrachtet werden, sind sie nie ganz, nie in sich geschlossen, und dürfen kein eigenes Dasein haben.


Katrin Schröder (l.)

Abschluss polytechnische Oberschule, Biologie-Laborantin, Landwirtschaftsstudium (Agrar-Ingenieurin), Musiker-Ausbildung Bassgitarre, Zahnarzthelferin, Ausbildung Shiatsu-Praktikerin, seitdem Shiatsu-Lehrerin und Arbeit in eigener Praxis in Berlin-Weißensee, in Ausbildung zur Hypnose-Therapeutin

Andrea Kleinau (r.) 

Ausbildung im „ersten Leben“ im Bereich Textilfacharbeit, Ausbildung Werbekauffrau, Studium Wirtschaftskommunikation (HTW), begleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeiterin für diverse Firmen (RBB, Film-und Fernsehproduzenten), Ausbildung Shiatsu-Praktikerin, Schulleitung & Organisation Shiatsu-Institut in Berlin-Weißensee, Dr. phil über Shiatsu

https://www.esi-shiatsu.de/


Für meine Interviewreihe „Mach’s weghabe ich rund 50 Interviews mit verschiedensten Perspektiven auf das Thema Gesundheit geführt. Schließlich wussten schon unsere Großeltern: Das Wichtigste im Leben ist die Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Lässt sich Krankheit einfach „wegmachen“? Und wieso kümmern sich Menschen umeinander?


Laurens Dillmann: Was ist das Shiatsu-Institut und wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aus?

Andrea Kleinau: Das Shiatsu-Institut in Berlin ist eine Shiatsu-Ausbildungsschule. Die gibt es zehn mal in Europa. Alle zehn Institute arbeiten nach einem sich immer aktualisierenden Curriculum. So können Schüler ihre Ausbildungsmodule an jedem Institut uneingeschränkt besuchen. Wir haben uns hier in Berlin-Weißensee im Dachgeschoss des Bildungsinstitut des Senates eine Schule aufgebaut.. Hier bieten wir unsere Ausbildungen an, die ihre Anerkennung in deutschen, österreichischen und italienischen Shiatsu-Berufsverbänden finden.

Katrin Schröder: Und wie sieht unser Berufsalltag aus? Wir lehren nach Curriculum, mehrere Ausbildungsstufen. Menschen, die zu uns kommen, haben Lust am Berühren. Sie wollen ihrem Alltag eine andere Ausrichtung geben. Sie wollen unterstützen, berühren, helfen, etwas Sinnvolles tun. Normalerweise wäre heute Start des Stufenkurses 3 – von Montag bis Freitag, 10-18 Uhr wäre also hier Unterricht. Der Unterricht besteht aus Ausbildungsmodulen, Übungsgelegenheiten, weiterführenden Spezialseminaren, in denen das Shiatsu-Wissen erweitert wird , z.B. über Faszienarbeit oder Trauma-Arbeit. Nach der siebten Stufe ist man diplomierter Shiatsu-Praktiker. Wenn ich nicht unterrichte, habe ich meine Praxis gleich um die Ecke – zur Zeit ist sie auch geschlossen. Ich behandele mit Shiatsu. Durch 23 Jahre Berufserfahrung sind mittlerweile auch weitere Impulse hereingeflossen, wie meine Ausbildung in EPA (Emotionale Prozess Arbeit), Energetischer Medizin bei Ulrike Leye, und zudem bin ich gerade in einer Hypnose-Ausbildung.

Was ist Shiatsu und was fasziniert euch beide daran?

Andrea Kleinau: Nach meinem Abschluss in Wirtschaftskommunikation habe ich mir Gedanken gemacht, wie man Shiatsu eigentlich klinisch über Studien darstellen kann. Darüber habe gut vier Jahre eine Doktorarbeit in Philosophie geschrieben. Ich habe viele Physiotherapeuten, Orthopäden und auch Osteopathen hinter mir. Shiatsu war die eine Methode, die mir geholfen hat, diesen Rückenschmerz wirklich loszuwerden. Shiatsu hat mir selbst geholfen, meine Schmerzen und meinen Stress loszulassen. Ich wollte gerne ergründen, warum das so ist und habe begonnen, klinische Studien zu suchen und auszuwerten. Daraus ist eine Doktorarbeit geworden. Was unter anderem bei Shiatsu-Behandlung passiert, ist die Reduzierung von Stress. Das merken wir daran, dass die Menschen danach glücklich aussehen. Die Leute fahren total runter. „Wie eine Woche Urlaub“, sagen sie oft. Man fühlt sich gesehen, vollumfänglich berührt. Das fasziniert mich daran. 

Katrin Schröder: Tja, das ist die große Frage. Wie erkläre ich Shiatsu? Ist nicht einfach. Natürlich kann ich dir die Definition runterbeten. Shiatsu ist eine Körperarbeit die in Japan entwickelt wurde, aus den philosophischen Wurzeln der chinesischen Medizin. Wir arbeiten mit dem Meridiansystem, versuchen Blockaden aufzufinden und sie zu lösen. Und diese Definition finde ich richtig doof, weil sie so unlebendig ist. Und bei weitem nicht erfasst, was Shiatsu ist. Für mich besteht die Faszination an der Begegnung. Diese Körperarbeit umfasst nicht nur den physischen Raum, sondern auch die emotionale, mentale und spirituelle Ebene. Auf all diesen Ebenen kann ich einem Menschen begegnen und ihn begleiten berühren, bewegen. Tolle Interaktionen begeben sich da. Mir macht das so viel Spaß, weil ich die Menschen so lieb habe. Und mich freue, wenn das Shiatsu einen Moment des Groschenfallens bei ihnen auslöst. Shiatsu arbeitet mit hoher Achtsamkeit. Schätzt den Wert des Menschen. Aber bewertet den Menschen nicht. Das ist meine Leidenschaft daran. Die gesamte Betrachtungsweise der chinesischen Philosophie fasziniert mich und entspricht meiner eigenen inneren Bildsprache von Energie und Bewegung.


Shiatsu bedeutet auf Japanisch „Fingerdruck“. Es ist eine 100 Jahre alte Behandlungsmethode, die am bekleideten Körper stattfindet. Tiefe und achtsame Berührungen helfen den Klient*innen, ihren Körper (wieder) wahrzunehmen, zu entspannen und bei sich selbst anzukommen. Anspannungen können sich lösen und aufgestaute Energien (Ki) wieder fließen. Im Shiatsu verbinden sich Traditionen und Wissen von Ost und West miteinander. Der Mensch steht in seiner Ganzheit im Mittelpunkt – die Behandlung wirkt ausgleichend auf Körper, Geist und Seele.“ – www. shiatsu-gsd.de


Was ist Energiearbeit und warum wird sie im Gegensatz zur Schulmedizin als „alternativ“ betrachtet?

Andrea Kleinau: Ich empfinde Shiatsu nicht als Alternative zur Schulmedizin. Minimal als Ergänzung und maximal als eigenständig. Es ist eine ganz eigene Art des Umgangs und der Begleitung von Klienten. Ich finde, unser Gesundheitssystem krankt auch daran: Solange Methoden immer nur als alternativ, ergänzend oder komplementär betrachtet werden, sind sie nie ganz, in sich geschlossen, und dürfen kein eigenes Dasein haben. Das finde ich fatal. Shiatsu ist in sich geschlossen ein Medizinsystem, wie die traditionelle chinesische Medizin. In Japan ins normale Leben integriert, hier maximal „alternativ“.

Katrin Schröder: Viele nennen es Spukerei, weil es sich um Energie handelt. Dabei ist es blanke Physik. Wir bestehen aus Atomen und Protonen. Jede Zelle ist in Bewegung und Bewegung erzeugt Schwingung. Bewegung erzeugt Impulse und diese Impulse sind Energie. Was ist daran spooky? Im Buch „Die Intelligenz der Zellen“ ist es mit einem simplen Beispiel erklärt. Du lässt einen Stein ins Wasser fallen und du hast die Wellen, die sich ausbreiten. Diese Wellen haben eine bestimmte Stimmung, eine bestimmte Frequenz. Triffst du jemanden, der „auf deiner Wellenlänge liegt“, fangt ihr gemeinsam an zu schwingen. In diesem Schwingungsraum kann alles passieren: Zum Beispiel das Verschwinden des Rückenschmerzes.

Ich habe selbst viele Ärzte als Klienten in meiner Praxis. Einer von ihnen sagt: Solange die Schulmedizin Energie als Phänomen nicht akzeptiert, vergibt sie eine Riesenmöglichkeit an Heilungschance. Der hippokratische Eid ist ja der Eid der Heilung. Dieser wird somit oft nicht eingehalten bzw. nicht vollständig erfüllt. Wenn beides, Schulmedizin und energetische Medizin, zusammen kämen, wäre so viel möglich. Ich finde es sehr schade, so belächelt zu werden. Dabei ist Energie wirklich etwas ganz Normales. Man begegnet einander und sagt vielleicht „den kann ich nicht riechen“ oder „wir schwingen nicht miteinander“. Wieso benutzen wir diese Wörter überhaupt? Weil wir als Menschen Sender und Empfänger sind und auf einer unsichtbaren Ebene prüfen, wie die Verbindung untereinander ist. Wir nennen diese Ebene Bo Shin. Die Shin-Aspekte sind Möglichkeiten der Diagnostik. Durch Schauen, Hinhören, Beobachten, Geruchswahrnehmung, Tastsinn jemanden zu erfassen. Und zwar nonverbal. Das ist ein großer Trainingszweig in unserer Ausbildung.

Du kennst bestimmt Herr der Ringe? Da schleudern sie doch Zauberbälle mit ihren Händen (lacht). Die Hand Herzen – Laogong-Punkte – sind große Felder, in denen man nachfühlen kann, dass dort Energie fließt. Alles ist Bewegung und Schwingung, so ist auch der Kosmos entstanden. Durch Bewegung, Reibung, Drehung. Und nun laufen wir auf festgesetzten Bahnen wie unsere Planeten und unsere Meridiane. So hat auch die TCM die Meridian-Lehre entwickelt. Durch Beobachtung und Meditation. Diese Bahnen kann man mittlerweile nachweisen, das ist kein Spinnifax mehr. Warum wird es noch immer als nicht existent abgetan? Es gibt ja mittlerweile viele Ärzte, die dem zugewandt sind, aber ein Großteil der Schulmedizin belächelt uns noch immer.

Nun ist Corona. Wie geht es euch damit?

Katrin Schröder: Ich regele mich ganz viel über meine eigene innere Arbeit und setze mir Anker. Gut für den, der innere Hebel hat. So muss man sich nicht von den äußeren Hebeln steuern lassen. Das ist vielen abhanden gekommen. Die lassen sich von der Angst leiten und die schwächt ihr Immunsystem. Dabei ist unser Körper auf Selbstheilung programmiert. Bis zum Lebensende. Deswegen heilen wir im Shiatsu auch nicht, wir regen Selbstheilung an. Aber diese unglaublichen Möglichkeiten nutzen nur sehr wenige Menschen bzw. es ist ihnen nicht bewusst. Shiatsu macht auf dieses Potential aufmerksam. Du bekommst durch meditative Techniken Werkzeuge, dich selbst zu regulieren. Wenn das ein allgemeingültiges Schulfach wäre, das wäre schön.

Welche Rolle spielt Berührung im Prozess der Heilung?

Katrin Schröder: Im Shiatsu berühren wir den gesamten Körper. Wir arbeiten nicht nur lokal. Natürlich, wenn jemand mit einer Schulterthematik kommt, werde ich das berücksichtigen. Im Shiatsu hast du Raum und Zeit. Du hast ausreichend Zeit, um mit dem Raum zu arbeiten (lacht). Um das gesamte System zu berühren und zu bewegen. Alle Gelenke zu rotieren, alle großen Schnittstellen durch die Berührung zu erfassen.

Berührung ist ein elementares Grundbedürfnis. Essentiell. Berührung in einer berührungsarmen Zeit, oder: Berührst du noch oder erkaltest du schon? Berührung macht zufrieden. Ich sehe ja, wie die Menschen vor einer und nach einer Behandlung aussehen. Danach sind sie geglättet. Satt. Bewegt. Berührt. Und vor allem zufrieden. Berührung hat eine sehr nährende Qualität. Es ist wie Futter. Man kennt ja die ganzen Studien über Babys, die nicht berührt werden. Ich finde die Kontakteinschränkungen jetzt katastrophal. Eigentlich müssten jetzt alle zum Shiatsu kommen. Diese Arbeit ist so wichtig. Sie unterstützt das Immunsystem. Das innere Vertrauen, nicht in die Angst und die Panik gehen zu müssen. Letzte Woche war meine Praxis noch voll und diese Woche sind 95 % der Termine abgesagt. Ich frage dann am Telefon: „Bist du gesund? Ich bin es auch“, aber dann heißt es, „der Gemeinschaft zuliebe“ können wir das nicht machen. Dabei leben wir doch auch in unseren Häusern eng aufeinander. 

Andrea Kleinau: Berührung im Shiatsu ist essentiell. Wir arbeiten mit den Meridianen, die man auch in der Akupunktur und Akupressur findet. Ihre Wirkungen werden unterrichtet und die Lebensfunktionen darum herum. Über dieses Wissen entsteht eine spezielle Form der Berührung. Das Hineinsinken, nicht das Drücken. Wir stoßen biochemische Prozesse an, die Ausstoßung von Glückshormonen wie Oxytocin, Serotonin. 

Welche Rolle spielen Geben & Nehmen?

Andrea Kleinau: Nach einer Shiatsu-Behandlung bedanken wir uns beim Klienten. Die Person, die kommt, gibt auch. Aber wie, das kann ich gar nicht richtig in Worte fassen.

Katrin Schröder: Ich bekomme natürlich meinen monetären Wert. Aber mich macht am glücklichsten, wenn ich sehe: Durch meine Arbeit ist etwas passiert. Ich habe eine Unterstützung gegeben, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dieser Impuls wird sich fortpflanzen. Manchmal treffe ich Menschen aus einer Behandlung wieder, die sich noch Jahre später bei mir bedanken, selbst wenn sie nur einmal da waren. Das ist schönes Geben & Nehmen. Dann denke ich auch: Das ist einfach eine geile Arbeit, die ich mache. Prima. Ich habe eh den schönsten Arbeitsplatz, weil ich die ganze Zeit dafür zu sorgen habe, mich während der Arbeit gut zu entspannen (lacht). Kein Stress, keinen Druck.

Wie schafft man es, bei sich zu bleiben, wenn man mit so vielen Menschen in Kontakt kommt?

Katrin Schröder: Ein großes Thema. Die Ärzte in meiner Praxis kommen fast alle mit Burnout, weil sie so überarbeitet sind. Im Dienste der Menschheit. Ja, Shiatsu ist auch eine Dienstleistung, und ich bin Dienstleisterin. Aber in erster Linie diene ich mir selbst. Das bedeutet, für mich ist diese Arbeit ebenso eine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Person, und somit auch mit Themen, welche mich persönlich herausfordern. Shiatsu und die Begegnungen mit Menschen, unterstützen mich darin. Die befriedigende Wirkung des Dienens ist meine eigene Weiterentwicklung und Verfeinerung meiner “inneren Stimme”. Die erste, allerwichtigste Person in dieser Arbeit bin ich. So vermittle ich es auch meinen Schülern. Ich habe dafür zu sorgen, ausreichend Energie zur Verfügung zu haben – zwischen 80 und 100 %, damit ich überhaupt mit Menschen arbeiten kann. Ansonsten würde ich Raubbau an meiner eigenen Person betreiben, fünf Jahre arbeiten und danach kommen Burnout oder Depression. 

Die Haltung und Ausrichtung im Shiatsu gilt einem Begegnungsraum. Ausrichtung, Zentrierung. Aus der inneren Haltung „Deines gehört dir und ist nichts meins“ arbeiten. So entsteht eine ganz andere Qualität, in der ich nichts von dir mitnehme. Wenn ich in diesen Modus komme: „Ich kümmere mich jetzt um dich“, „Ich will dir Gutes tun.“, ist meine ganze Ausrichtung bei dir. Für dich mag sich das gut anfühlen. Aber ich hänge damit mit meinem Energiefeld komplett in deinem und nehme alles auf, was nicht zu mir gehört. Und dann frage ich mich, warum ich nach einer Behandlung so müde bin. Weil ich nicht aufgepasst habe! 

Also muss ich Mechanismen finden, über die ich mich täglich selbst regulieren kann. Auch nach Behandlungen habe ich dafür zu sorgen. Kleine Rituale. Ausgiebiges Händewaschen. Regulationsmechanismen. Eigenpflege, Eigenhygiene, Energiehygiene. Generell geht es darum, Lust zu haben, Eigenverantwortung und Eigenregulation zu lernen. Innere Arbeit machen. Sich nicht darauf zu verlassen, der andere soll mir helfen oder es für mich wegmachen. Es hat ja ein Prozess stattgefunden, weshalb ich mich fühle wie ich mich fühle und dieser Prozess ist interessant. In dieser Sinnfindung unterstütze ich meine Klienten. Ich gebe ihnen auch kleine Übungen mit wie zum Beispiel eine Gehmeditation.

Fühlt ihr euch gesellschaftlich für eure Arbeit angemessen gewürdigt?

Katrin Schröder: Nein! Andererseits bin ich auch nicht abhängig von der Meinung der Anderen. Unsere Schüler sagen: Ich finde es hier so toll, weil ich hier so sein kann wie ich bin. Das ist Würdigung.

Andrea Kleinau: Von denen, die unsere Arbeit kennen: ja. Meine Arbeit als Schulleitung besteht ja hauptsächlich darin, über Shiatsu zu sprechen, damit die Welt davon erfährt. Die, die hinhören, die würdigen auch. Weil sie begreifen, weil sie Shiatsu dann auch manchmal erlernen. Weil sie hier an unserer Schule schnuppern können. Es ist eine Bewegung, aber eine Kleine. Wir sind eine Nische. Und der Versuch, eine Art Graswurzelbewegung ins Leben zu rufen. Wie in der Berührung: Nervenzellen stoßen sich an, gehen in Resonanz miteinander. So kann man auch in der Gesellschaft ein Feld aufbauen und das motiviert mich. Wenn hier zehn Leute bei uns sitzen und danach den Hauch einer Ahnung gewonnen haben, ist das schon genug Würdigung.

Aber im politischen Kontext bemühen wir uns über Jahrzehnte mit einem Berufsverband, anderen Verbänden (Deutsche Gesellschaft Alternative Medizin), alle bemühen sich redlich, auch politisch eine Würdigung hinzukriegen. Da kann ich auch ganz klar nein sagen. Es gibt aktuell eine Bewegung, Berufe europaweit anerkennen zu lassen (NQR). Wir können das leider nicht, da der Beruf des Shiatsupraktikers nach wie vor kein staatlich anerkannter Beruf ist. Unsere KollegInnen in Österreich oder auch in Frankreich können sich zertifizieren lassen. Wenn wir das dürften, hätten wir zumindest den anerkannten Shiatsu-Therapeut. In Österreich und der Schweiz geht es, bei uns leider nicht.

Auf welchen Werten sollte ein Gesundheitswesen aufbauen?

Katrin Schröder: Auf Akzeptanz, Toleranz und Miteinander. Nicht auf Hierarchie-Geschichten, sondern auf Augenhöhe. Lust haben am Erfahrungsaustausch, am Hinhören. Ein System, in dem die Menschen in die Selbstverantwortung kommen. Nicht „Gib mir die Pille und dann ist alles gut“. Ist ja durchaus sinnvoll, ich nehme manchmal auch eine Aspirin, wenn ich keine Lust auf die Kopfschmerzen habe. Und dann bin ich dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt. In Notsituationen gerne. Aber ansonsten habe ich alle Möglichkeiten, mich selbst zu unterstützen und zu regulieren.

Andrea Kleinau: Anerkennung anderer Verfahren. Nicht unterordnen oder wegsortieren, weil hat ja nicht genug Evidenz, ist nicht relevant. Eine breitere medizinische Ausbildung. Ich durfte mal teilhaben am Modellstudiengang für Mediziner der Charite. Da wurde eine bestimmte Methode unterrichtet – problemorientiertes Lernen. Fand ich total toll. Automatisch gab es eine Öffnung hin zum Anderen, zu heterogenen Heilverfahren. Klar, wir haben medizinische Errungenschaften, die wollen wir nicht missen. Und es gibt eben auch andere Verfahren. Wie funktionieren diese eigentlich? Interesse an dieser Frage wecken. Interdisziplinarität. Ein Prozesslernen, nicht Bulimie-Lernen. Wir arbeiten ja nicht mit Problemen, sondern mit Menschen.

Es geht auch um Therapiesicherheit. Wie sicher sind Verfahren, wenn wir mit dem Menschen arbeiten? Dafür braucht es Forschung und das Bereitstellen von Geldern. Tatsächlich vollumfänglich den sogenannten alternativen Methoden zu widmen. Jeder sollte – wie beim Heilpraktiker – die Möglichkeit haben, all diese verschiedenen Formen von Heilungsansätzen zu lernen. Wir brauchen also auch eine neue Definition von Heilung und von Krankheit.

Bildquellen: Laurens Dillmann & Andrea Kleinau

Online: https://www.esi-shiatsu.de/

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