„Schmerzvermeidung ist unser wichtigstes Muster. Im Heilungsprozess geht es immer darum, diese Muster zu durchbrechen. Neue Wege für sich zu finden und andere Dinge auszuprobieren. Die Komfortzone zu erweitern, über dich hinauszuwachsen. Und dafür musst du dich mit deinem Schmerz konfrontieren. Und wenn jemand immer dann, wenn es unangenehm wird, die Kurve kratzt, bekommst du denjenigen auch nicht gesund, egal bei welcher Methode. Der Himmel liegt hinter der Hölle, und nicht auf der anderen Seite. Einer meiner wichtigsten Lernsätze ist auch: Die Heilung liegt hinter dem größten Widerstand.“ 


Alexandra Stross

Studium Tiermedizin, heute Online-Unternehmerin mit Spezialisierung auf Menschen mit chronischen Beschwerden, Autorin mehrerer Bücher wie “Gesundheit ist Kopfsache” oder “Natürliche Darmsanierung”, Gründerin von Online-Kursen wie “Body University” und “Realhealing Academy”: https://alexandrastross.de


Für meine Interviewreihe „Mach’s weghabe ich rund 50 Interviews mit verschiedensten Perspektiven auf das Thema Gesundheit geführt. Schließlich wussten schon unsere Großeltern: Das wichtigste im Leben ist die Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Und lässt sich Krankheit einfach „wegmachen“?


Laurens Dillmann: Wie verlief dein beruflicher Werdegang?

Alexandra Stross: Der Werdegang war ein bisschen verschlungen (lacht). Was von Anfang an da war, war mein Interesse für die Funktionen des Körpers. Das war der Grund, warum ich von klein auf Tiermedizin studieren wollte, was ich dann auch getan habe. In diesem Studium sind erste Illusionen über die Schulmedizin geplatzt. Zusätzlich war die Zeit des Studiums die Zeit, in der es mir körperlich am allerschlechtesten ging. Ich hatte eine Kombination aus ziemlich schweren Herzrhythmusstörungen, Angst- und Panikstörungen, Durchfall und einer massiven Darmentzündung. Dadurch war ich auch geistig-seelisch extrem bedient und frustriert.

Ich bin also 13 Jahre von Pontius zu Pilatus gelaufen und hatte zwei Herzoperationen. All das hat nichts geholfen. In Kombination mit den Erkenntnissen des Studiums hat das ganz viele Denkprozesse bei mir ausgelöst. Die Verzweiflung war irgendwann so groß, dass ich wirklich bereit war, einen komplett anderen Weg einzuschlagen. Typisch für mich war, dass ich direkt von einem Extrem ins andere gegangen bin: Ich war bei einer Geistheilerin. Sie hat mir zwar die Hände aufgelegt, aber viel wichtiger war: Sie hat mir den Kopf gewaschen. Sie hat mich aus meiner Opferhaltung rausgeholt, indem sie mir klar gemacht hat, dass ich nur warte, bis mich irgendjemand rettet und selbst nichts tue. Ich muss mich verändern, wenn ich gesund werden will. Im ersten Moment war ich sauer auf sie (lacht). Aber bei mir geht es dann auch schnell: In den drei Stunden Autofahrt nach Hause habe ich gespürt, dass es Sinn macht, was sie sagt, und mich berührt hat. Ist doch toll, wenn ich selbst etwas verändern kann. Das ist doch eine neue Perspektive, die ich vorher nicht hatte. 

Und dann habe ich begonnen zu suchen. Ich habe tausende Bücher gelesen, Seminare aus allen medizinischen Richtungen besucht, ich hatte eine neue Passion. Und Erklärungen, warum es schulmedizinisch nicht funktioniert hat. „Von heute auf morgen“ stimmt zwar nicht, aber nach zwei Jahren war ich komplett gesund. Und das, nachdem man mir 13 Jahre immer wieder „da kann man nichts machen“ eingeredet hatte. Ich habe dann den Tierarzt an den Nagel gehängt und begonnen, mein Wissen weiterzugeben.

Kannst du dieses Gefühl beschreiben, als du deine Passion gefunden hast?

Alexandra Stross: Ich habe dieses Gefühl eigentlich immer: Diesen Forschungsdrang. Ich gebe keine Ruhe, solange ich etwas nicht durchschaut habe. Wenn ich dann Fährten finde, die Sinn machen, liebe ich das schon mein ganzes Leben. Gerade beim Thema Gesundheit, weil es sicher das wichtigste Thema des Menschen ist. Das ist dann wie ein Detektivspiel für mich, oder eine Entdeckungsreise. Du fügst immer mehr Puzzleteile zusammen und ein immer stimmigeres Bild entsteht. Du verstehst es nicht nur vom Verstand, sondern du fühlst auch, dass das Puzzleteil wirklich passt. Es stimmt, was du gelernt hast, weil du es ausprobiert und es geklappt hat. Und das macht ganz viel mit dir, wenn du die Lösung aktiv selbst gefunden hast. Die Inhalte gab es natürlich schon, aber du hast sie selbst zusammengefügt. Du bist nicht mehr hilflos. Dieses Gefühl weiterzugeben, ist mir heute noch sehr wichtig. Zu mir kommen die, die schon vieles versucht haben. Ich habe mich auf Leute spezialisiert, die bereit sind, zu reflektieren. Meistens fehlt ihnen nur eine letzte Verknüpfung von Informationen, ein Missing Link. Wenn der Verstand zur Gänze versteht, worum es geht, kriegt er es normalerweise auch umgesetzt.

Was tust du in deiner Arbeit? Wie sieht ein normaler Arbeitstag aus?

Alexandra Stross: Ich biete Online-Programme an. Momentan bin ich jeden Abend mit einer Gruppe live und in Interaktion. In den Programmen geht es zum Beispiel darum, Gefühle steuern zu lernen. Gefühle sind ein ganz wichtiger Schlüssel. Wenn ich ins Tun gehen möchte, ist die richtige Energie ganz wichtig. Oft passiert das: Die Leute kriegen eine Diagnose, denken sich „Ich muss etwas ändern“, es entstehen blinder Aktionismus, Angst, Druck, das Richtige zu finden und zu tun. Das ist die falsche Energie. Passt es auch, habe ich nichts übersehen? Das funktioniert nicht. Du musst lernen, dich erstmal in die Situation rein zu entspannen und deine Gefühle zu regulieren, bevor du handelst. Das lehre ich, in vielen praktischen Übungen und Gesprächen. Aber immer in der Gruppe, weil die Gruppe unendlich heilsam ist. Sie ist mitreißend und als Einzelner erlaubt man sich nicht so sehr, ins Drama reinzurutschen.

Tagsüber bereite ich diese Sitzungen vor. Es soll frisch sein, ich lasse neue Fallbeispiele einfließen etc. Parallel bin ich auch immer am Vorbereiten von neuen Kursen, am Schreiben von Blogartikeln, mache Marketing oder Interviews wie dieses. So lernte ich Neues dazu, komme immer an neue Themen, die mich interessieren. Ich würde sagen: Mein Leben ist Lernen. Das ist meine Bestimmung.

Dazu viel inneres Gespräch: Das ist keine Internetrecherche, die es natürlich auch gibt. Sondern ich formuliere eine Problemstellung, zu der mir Impulse kommen. Damit beginnt das Detektivspiel, das ich so liebe. Damit bin ich gut beschäftigt. Ich war seit zehn Jahren nicht im Urlaub, weil ich so gerne von zuhause arbeite. Ich lebe auf einem Bauernhof mit vielen Tieren, habe Pferde, Katzen, Hunde, ich möchte nicht von hier weg (lacht). Auch von den Tieren kann ich so viel lernen. Das tägliche Ausreiten und vier bis fünfstündige Naturaufenthalte sind auch Bestandteil meiner Arbeit. Dieser Bezug zu den Jahreszeiten ist mir sehr wichtig: Da werden dir so viele Prinzipien von Veränderung bewusst. 

Was glaubst du, warum haben viele Menschen Leidensdruck und sind in einer Opfermentalität?

Alexandra Stross: Wer lebt uns das denn vor: „Das ist aber eine tolle Herausforderung an der du wachsen kannst!“? Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem. Wenn etwas schief läuft, wird erstmal der Schuldige oder der Retter gesucht. Mein Lieblingsbild ist die Wippe. Das ist eine andere Interpretation von Yin und Yang, das Prinzip des Ausgleichs. In der Mitte der Wippe bin ich eigenverantwortlich, weder Opfer noch Täter, suche weder Retter noch Schuldigen. Aber ich denke, es ist wichtig, beide Ausschläge zu kennen.

Komme mit deinem selbst empfundenen Minderwert in Kontakt, damit du dich bewusst entscheidest, dich darüber zu erheben. Das ist ein notwendiger Entwicklungsschritt. Wenn ich mit der Wippe arbeite, ist ganz klar, dass ich mir beide Seiten anschauen muss, damit ich mich in der Mitte einpendeln kann. Leid und Hilflosigkeit nie erlebt zu haben, würde niemals den Entwicklungsschritt auslösen, mich darüber zu erheben. So auch beim Thema der Bestimmung, die die Leute oft erst durch langjährige Erkrankungen finden. Oft verleiht genau der größte Konflikt eines Tages die Kompetenz, diese Bestimmung leben zu können. So habe ich es selbst auch erlebt.

Was für Qualitäten brauchen Menschen, die in Heilberufen arbeiten?

Alexandra Stross: Empathie. Den anderen wahrnehmen, zwischen den Zeilen hören und lesen zu können. Richtig gute Heiler haben für mich auch Vertrauen ins Leben. Damit du nicht mit ins Drama der Leute reinfällst. Ich höre so oft von Leuten, deren Begleiter und Therapeuten ihnen vermittelt haben: Du bist ein schwerer Fall. Das ist keine Hilfe. Es ist doch jeder immer in der perfekten Situation. Und nur wenn du aufrichtig annehmen kannst, wie etwas ist, kannst du es verändern. Du musst den Leuten in dieser Annahme vorausgehen, weil sie ihnen am schwersten fällt. Ich komme nicht mehr von dem Punkt, dass Symptome ganz schnell verschwinden müssen. Ich denke eher: Es soll genau so lange bleiben, wie ich es brauche. Dann ist erst die Tür offen für Veränderung. Ich arbeite teilweise mit Leuten, die seit 20 Jahren Heilung suchen. Die wollen keine 0815-Tipps mehr, mit denen muss ich tiefer gehen. Da ist dieses Vertrauen ins Leben die allerwichtigste Basis für mich.

Gibt es Unheilbarkeit?

Alexandra Stross: Es gibt keine unheilbare Krankheit, aber es gibt unheilbare Menschen. Es gibt Menschen, die können und wollen sich nicht mit ihrer Schmerzgrenze konfrontieren. Ich sehe es so: der körperliche Schmerz entsteht, weil du einen Schmerz auf der geistig-seelischen Ebene verdrängt hast. Es muss nicht genau der gleiche Schmerz sein. Aber Schmerzvermeidung ist unser wichtigstes Muster. Im Heilungsprozess geht es immer darum, diese Muster zu durchbrechen. Neue Wege für sich zu finden und andere Dinge auszuprobieren. Die Komfortzone zu erweitern, über dich hinauszuwachsen. Und dafür musst du dich mit deinem Schmerz konfrontieren. Und wenn jemand immer dann, wenn es unangenehm wird, die Kurve kratzt, bekommst du denjenigen auch nicht gesund, egal bei welcher Methode. Der Himmel liegt hinter der Hölle, und nicht auf der anderen Seite. Einer meiner wichtigsten Lernsätze ist auch: Die Heilung liegt hinter dem größten Widerstand. Und da musst du auch jedes Rechthaben loslassen.

Wieso ist der Graben zwischen Alternativ- und Schulmedizin so groß?

Alexandra Stross: Weil die Schulmedizin auf einer falschen Grundannahme beruht. Wenn der Schmerz bereits in meinem Körper angelangt ist – weil ich ihn geistig und seelisch immer wieder verdrängt und die Kurve gekratzt habe – bietet sie mir an, dass ihn mir jemand wegschneidet oder mir eine Pille gibt, die den Schmerz betäubt. Aber wie kann ich davon ausgehen, dass Herausforderungen wie eine Krankheit in mein Leben kommen, damit ich sie bestmöglich ignoriere? Das ist eine totale Fehlannahme und nicht der Zweck der Sache.

Was empfiehlst du für den Alltag, um für die eigene Gesundheit zu sorgen?

Alexandra Stross: Auf der körperlichen Ebene: Gib dem Körper die Gelegenheit, loszuwerden, was er nicht braucht. Bei uns ist so viel verstopft. Unsere Därme sind total überlastet, das ist eine wahnsinnige Stagnation, die sich auch seelisch und in der Außenwelt spiegelt. Wir trinken viel zu wenig. Wir sollten regelmäßig den Darm reinigen, Einläufe und basische Bäder machen, um besser im Fluss zu bleiben. Das macht ganz viel mit dem Geist, weil mit dem alten Dreck auch alte Energie ausgeschwemmt wird. 

Das ist ein guter Anfang, damit beginnt automatisch mehr Bewegung. Die meisten Leute wollen so viele Tipps auf einmal, aber das reicht erstmal. Je schwerer die Situation ist, desto wichtiger ist es, mit dem ersten Schritt zu beginnen. Ich vergleiche das gerne mit einem Navi. Das Navi sagt dir auch nur den Weg bis zur nächsten Kreuzung, wenn du das Ziel eingibst. Nach der Kreuzung gibt es den nächsten Hinweis. Also mach den ersten Schritt und schau, was passiert. Etwas wird sich ergeben, das ist sicher.

Fantasiespiel: Du bist Königin deines Landes: Wie sieht dein Gesundheitswesen aus?

Alexandra Stross: Eigentlich gibt es dann kein Gesundheitswesen. Weil die Menschen alle selbst für ihre Gesundheit sorgen. In meinem Land sind alle gesund, weil sie in Kontakt mit der Natur sind, sich gegenseitig helfen, sie wissen, was sie essen können, weil es in meinem Land keine Supermärkte mit Nutella gibt. In einem Land, in dem Menschen nicht ständig mit Umweltgiften in Kontakt kommen, braucht es auch kein Gesundheitswesen, weil sich Gesundheit von alleine ergibt.

 

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