„Warum ist das eigentlich so ein starkes Tabu-Thema? Wir sind Kommunikationsexperten. Wir müssen in der Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam machen! „


Diana Doko
Literaturwissenschaftsstudium in Paris, Jurastudium in Berlin, PR-Arbeit, 2001 Gründung „Freunde fürs Leben e.V.“ (Depressions- und Suizidprävention), Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, freie PR- und Kommunikationsberaterin, Hochschuldozentin für PR und Marketing
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Für meine Interviewreihe „Mach’s weghabe ich rund 50 Interviews mit verschiedensten Perspektiven auf das Thema Gesundheit geführt. Schließlich wussten schon unsere Großeltern: Das Wichtigste im Leben ist die Gesundheit. Aber was ist das überhaupt? Lässt sich Krankheit einfach „wegmachen“? Und wieso kümmern sich Menschen umeinander?


Laurens Dillmann: Wieso hast du Freunde fürs Leben gegründet?

Diana Doko: Ich wollte schon zu Beginn meiner Arbeit im Bereich PR Kommunikationsgeschichten immer mit Sozialem verbinden. Zur Zeit des Balkan-Krieges habe ich die Party-Reihe „Tanzen für Bosnien“ organisiert, um Geld für Hilfsgüter zu sammeln – weil Kommunikation mir Spaß macht und man sie perfekt mit guten Taten verbinden kann.

Freunde fürs Leben wurde aus eigener Betroffenheit gegründet. Die Freundin meines Mitgründers Gerald Schömbs hat sich 2001 das Leben genommen. Ich habe ihn angerufen und ihm angeboten, dass wir darüber sprechen können. Damals waren wir nur Kollegen in der PR und noch nicht befreundet. Er sagte: „Du bist die erste Person, die mich darauf anspricht.“ Mein Bruder hat sich ‘98 das Leben genommen. Ich habe die gleiche Erfahrung gemacht. Auch meine damaligen Kollegen und Kolleginnen haben mich gemieden, weil sie nicht wussten, wie sie damit umgehen sollen. 

Also haben wir uns getroffen und über unsere Erfahrungen gesprochen. Da kam natürlich die Frage auf: Warum ist das eigentlich so ein starkes Tabu-Thema? Der Suizid meines Bruders war ja schon drei Jahre zuvor passiert. Ich steckte nicht mehr so stark drin wie Gerald. Für ihn war das total neu. Ich hatte damals mit meiner gesamten Familie eine Therapie gemacht. Gerald sagte damals: Wir sind Kommunikationsexperten. Wir müssen in der Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam machen! 

Mir ist damals in der U-Bahn ein Plakat aufgefallen. Darauf war ein esoterischer roter Kreis und darunter stand an Jugendliche gerichtet: „Wenn du suizidgefährdet bist, dann melde dich bei uns.“ Ich dachte: Welche MTV-Generation reagiert auf so ein Plakat? Das ist völlig an der Zielgruppe vorbei. Gerald und ich haben als PR-Experten dieser Organisation namens „Neuhland“ angeboten, eine Plakat-Kampagne für sie zu machen. Wir haben also unser Netzwerk aktiviert. Einen Typographen gefragt, Graphiker, die Kampagne entwickelt und sie an „Neuhland“ verschenkt, die sehr positive Rückmeldungen bekam. 

Dann haben wir weiter recherchiert: Welche Organisationen gibt es noch, die sich um Aufklärung und Prävention bemühen? Es gab damals nicht mal eine Website, es war ja 2001. Wir haben also 2001 Freunde fürs Leben gegründet und haben uns sozusagen von Online-Medium zu Online-Medium gehangelt.Und dann haben wir 2009 den ersten Youtube-Kanal zum Thema seelische Gesundheit gegründet. Gleichzeitig haben wir auch über Facebook aufgeklärt. 

Mir war bei der Gründung des Vereines wichtig, dass wir nicht nur aufklären, sondern auch eine politische Forderung haben. Damals war die Forderung (sie ist leider immer noch so): Depression und Suizid sollen auf der gesundheitspolitischen Agenda der Bundesregierung existieren. Du kannst bei der BZgA anrufen oder auf ihrer Seite schauen, da gibt es keine Informationen zu diesen Themen. Wenn ich das Journalisten erzähle, sagen die immer: „Das glaube ich nicht.“ Aber es stimmt. Also haben wir dieses Material entwickelt – den Pocket Guide, komprimierte Informationen. 


Freunde fürs Leben informieren sich über Suizid (Selbstmord) und Depressionen, um die Signale zu kennen und Hilferufe besser deuten zu können. Sie achten auf Ihr Umfeld – im Freundeskreis, der Familie und bei der Arbeit. Wenn nötig, sprechen sie das Thema an, weil sie wissen, dass und wo Hilfe verfügbar ist. Sie reden darüber.“
– www.frnd.de


Auf welche Werte berufst du dich?

Mein wichtigster Wert ist Liebe, auf Basis von Mitgefühl und Verständnis. Liebe zu den Menschen, die mir nahe sind. Liebe zu mir selbst. Liebe zu den Mitmenschen. Mitmenschlichkeit als Wert. Sonst würde ich nicht tun, was ich tue. Für mich geht es sehr um den Versuch, andere zu verstehen und gegebenenfalls zu helfen. Dann sind mir Gerechtigkeit, Respekt und Toleranz sehr wichtig. Gegenüber uns selbst und anderen Menschen. Mut finde ich auch wichtig. Das merke ich in meiner Vereinsarbeit immer wieder. Wenn du Kritik oder Druck erfährst – heute sagt man „Shitstorm“ – muss man mutig sein. Ich glaube, das ist der richtige Weg und ich lasse mich nicht einschüchtern.

Was für Rückmeldungen bekommst du für deine Arbeit?

Ich habe oft das Gefühl, dass die Leute erleichtert sind, die mit mir darüber sprechen. Ich gebe sehr viele Interviews und merke ganz schnell, ob mein Gegenüber Zugang zu dem Thema hat oder nicht. Klar, viele Medien berichten darüber, aber wenn der Journalist schon vor dem Gespräch zu mir sagt „Puh, das ist so ein schweres Thema, ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll“, sage ich oft: „Einfach anfangen, so schwer ist es nicht.“ Wenn wir uns daran gewöhnen darüber zu reden, wird es allmählich vielen Leuten leichter fallen. Und diese Erleichterung bemerke ich bei anderen.

Verknüpfen dich die Menschen in deinem Leben automatisch mit „schweren Themen“?

Ja, stimmt, das fällt mir immer wieder auf. Viele Menschen öffnen sich mir bereitwilliger, teilweise weil sie auch mit anderen nicht darüber reden können. Bis jetzt kann ich noch gut damit umgehen. Es passiert aber auch oft, dass mich Leute auf der Straße ansprechen. Das ist schwieriger. Ich hatte schon mehrmals Begegnungen in der U-Bahn, wo mich junge Menschen ansprachen und sagten, sie wüssten nicht weiter, sie stünden kurz vorm Suizid. Und es könne kein Zufall sein, dass sie mich treffen. Dann nenne ich Kontaktadressen und biete Hilfe, aber es nimmt mich sehr mit.

Was für eine Rolle spielen Geben & Nehmen im Kontext der Sozial- und Heilberufe?

Ich bin keine Therapeutin, deshalb fallen mir solche Situationen ja auch so schwer. Ich empfinde Freunde fürs Leben als PR-Agentur fürs Thema Depression und seelische Gesundheit. Wir bündeln lediglich Informationen, auch jetzt zum Beispiel während der Corona-Krise. Wir bekommen so viele E-Mails: Apps, Hilfsangebote, Therapeuten, die umsonst arbeiten. Wir checken bei allem, ob es okay und seriös ist und schreiben darüber einmal wöchentlich einen Blog-Eintrag. Ich muss dabei aber immer wieder betonen: Ich bin keine Therapeutin, wir alle im Verein sind es nicht. Besonders zu Beginn gab es viele Menschen, die bei uns diese Hilfe gesucht haben. Auch heute setzt es sich fort.

Was gibt mir meine Arbeit? Ich mache sie ja nicht, um mich selbst auszubeuten. Es gibt mir eine Befriedigung, anderen zu helfen. Auch wenn Freunde anrufen und nach einer Therapeutenadresse fragen. Dass man den Leuten den Zugang zu dem Thema und den Angeboten vereinfacht, dass man ihnen durch den Dschungel hilft, das ist meine Profession. Ich kann meinen Beruf mit meiner sozialen Arbeit verbinden. 

Dass viele helfende Menschen ein Burnout bekommen, kann ich verstehen. Krankenschwestern, Pflegekräfte, Therapeuten: Hell yeah! Das ist auch schwere körperliche Arbeit. Das könnte ich in der Form gar nicht leisten. In den ersten zwei Corona-Wochen ging es mir so. Ich habe schließlich meinem Team gesagt: Ich bin total überarbeitet. Ich sitze jeden Tag zehn Stunden am Rechner, checke alles, mache alles. Jetzt brauche ich eine Pause. In der dritten Woche habe ich dann nur einen halben Tag gearbeitet. Ich kann gut die Bremse ziehen, sagen: Das ist mir gerade zu viel. Zu viel Depression, zu viel Hilfe, ich muss wieder zu mir finden. Mich wieder stärken, damit ich mich auch wieder in diese Themen hineinfühlen kann. Ich merke allerdings auch immer wieder, dass ich nicht selbst betroffen bin. Das geht vielen so, die bei uns arbeiten. Wenn sie selbst betroffen sind, haben sie riesige Schwierigkeiten sich abzugrenzen. Es gibt immer wieder Mails, da denkst du dir: Oh mein Gott. Aber ich kann mich abgrenzen. Ich kann eine emotionale Antwort schreiben, ohne direkt betroffen zu sein. Und trotzdem kann ich nachvollziehen, wie sich diese Menschen fühlen.

Warum werden Menschen depressiv? Hast du eine grundsätzliche Antwort gefunden?

Das hat so viele Auslöser. Was ich seit den 20 Jahren Vereinsarbeit mitbekommen habe: Ich kann mit dem klarkommen, mit dem du nicht klarkommst und andersrum. Mein Bruder war viel sensibler als ich. Er hat sich die Geschichten mit unseren Eltern immer wahnsinnig zu Herzen genommen. Während ich so nach dem Motto lebte: Scheiß drauf, ich steige aus dem Fenster und gehe trotzdem auf die Party. Er hat immer so gestruggelt. Ich hatte ein super Verhältnis zu ihm. Wir haben zusammen gewohnt. Und ich habe mich ganz oft gefragt: Warum geht es mir nicht so? Heute weiß ich: Die Auslöser sind so unterschiedlich. Depression ist eine Krankheit und es kann sein, dass ich sie mal bekomme. Ich habe nicht das Gefühl, davor gefeit zu sein. Ich glaube, es kann jeden treffen, aus unterschiedlichsten Gründen. Wichtig ist, dass man sich frühzeitig Hilfe holt.

Du wirst auf deiner Seite zitiert mit „Wenn die Seele krank ist, braucht sie Hilfe.“ Wenn ich die moderne Medizin betrachte, habe ich teilweise den Eindruck, der Mensch wird als Maschine betrachtet, die von seinem Gehirn gesteuert wird. Die Idee einer Seele oder einem größeren Sinn im Leben ist nahezu verschwunden.

Das siehst du schon am Umgang mit dem Tod. Meine Eltern kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien, da ist es ganz anders. Auch mein Bruder war mit vielen Leuten befreundet, die Wurzeln in Arabien, der Türkei oder Israel hatten. Die waren nach dem Tod meines Bruders jeden Tag zwei Monate lang bei meinen Eltern. Sie saßen ganz oft auf dem Balkon und haben geheult, gelacht, geheult, gelacht. Auch bei den Jugoslawen ist das total normal. Wenn dann deutsche Arbeitskollegen meiner Eltern kamen, waren sie total erstaunt und haben gefragt: „Wie konnte er euch das antun?“ Meine Mutter sagte dann: „Das möchte ich auf gar keinen Fall hören. Er hat sich das selbst angetan. Wir sind traurig, aber nicht sauer oder böse.“ Das werde ich auch immer wieder in Interviews gefragt. Bist du sauer oder böse auf deinen Bruder? Nein! Das kommt mir gar nicht in den Sinn.

Beim gesellschaftlichen Umgang mit Trauer fehlt mir oft das Gefühl. Ich weiß nicht, wie oft wir am Grab meines Bruders gepicknickt und sein Lieblingsessen gegessen haben. So hält man die Erinnerung an einen Toten lebendig. Wenn du nämlich nicht mehr über ihn redest, stirbt er auch in der Erinnerung. Dieser Prozess des Trauerns ist nun mal sehr emotional und gefühlvoll. Hält vielleicht auch nicht jeder aus. Aber man heult ja nicht permanent. Zwischendurch machen wir auch Witze und lachen. Eine Mischung aus allem. 

Ja, ich gebe dir Recht. Oft fehlen Empathie und Gefühl. Der Freund meiner besten Freundin hatte einen Herzinfarkt während seiner Radiosendung bekommen. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist er gestorben. Ich kam mit meiner Freundin gleichzeitig am Krankenhaus an. Der Arzt kam auf uns zu und sagte, es ist leider zu spät. Meine Freundin fing laut an zu weinen. Sie hat nicht gebrüllt oder ist ausgerastet, sie hat getrauert. Da hat der Arzt mir eine Tablette gegeben mit dem Worten: „Damit sie ihre Freundin beruhigen.“ Auch bei Beerdigungen merke ich oft, dass Leute auf Valium sind,um sich zusammenzureißen, die Kontrolle nicht zu verlieren. Da denke ich mir: Warum? Wenn es raus muss, muss es raus.

Wie kann man mit sozialer Kälte umgehen?

Jetzt zu Corona-Zeiten: Ich glaube, diese Krise verstärkt immens viel. Das, was vorher schon latent da war, zeigt sich jetzt extrem verstärkt. Häusliche Gewalt gab es bereits vorher. Gefühlskälte, Egoismus, Panik. Und dann gibt es die sogenannten Guten. Man sieht jetzt genau, wer auch vorher schon gut war.

Ich habe für mich entschieden, dass ich den anderen Menschen ihre Gefühlskälte nicht zum Vorwurf mache. Ich denke: Ok, die können nicht anders. Das ist ihre Art, so zu reagieren. Aber das heißt nicht, dass ich mich deswegen auch klein mache und meine Gefühle runter schlucke. Ich habe früher oft gesagt, mein Bruder wäre bei einem Autounfall gestorben, weil nach dem Suizid-Thema niemand mehr mit mir reden wollte. Jetzt verstelle ich mich nicht mehr. Ich will auch niemanden vor den Kopf stoßen, aber ich sage die Wahrheit. Auch wenn es heißt, sie wäre nicht angebracht. Wenn ich weinen muss, dann weine ich. Wenn mein Gegenüber das nicht aushalten kann, ist das so. Aber ich werde es nicht zurückhalten.

Wie betrachtest du den Trend der letzten Jahrzehnte Richtung Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und „Zurück zur Natur“?

Ich gehe gerne spazieren und in den Wald. Das habe ich von meinen Eltern. Wir sind jedes Wochenende an die Krumme Lanke gefahren. Als Kind und Jugendliche fand ich es öde, jetzt liebe ich es. Ich brauche die Natur, weil sie mich beruhigt. Grundsätzlich finde ich es gut, dass Menschen sich mit ihrem Körper beschäftigen. Dass sie auch andere Methoden außer Joggen und Fitnessstudio erkennen. Ich muss ehrlich sagen: Ich mache seit meinem fünfzehnten Lebensjahr Yoga, aber würde das nie raushängen lassen. Meine Yogalehrerin ist 80. Sie hat es in Indien gelernt und es uns als Gymnastik mit Atmen und Singen präsentiert. Als ich damals bei ihr angefangen habe, gab es das Wort Yoga noch überhaupt nicht. Aber mir hat es einfach gut getan, und ich mache das jetzt seit 30 Jahren. Ich habe wahnsinnigen Respekt vor der Yoga-Lehre. Wenn man Bücher von Yogis liest, denkt man: Wow, das ist eine ganz andere Ebene. Ich kann jede Übungsreihe des Kundalini-Yoga aus dem Schlaf auswendig. Ich könnte das auch unterrichten. Aber mir ist das teilweise zu… Alle werden jetzt Yogalehrer, alle sind aware. Mir ist das zu egoistisch, zu sehr selbstbezogen. Ich habe oft das Gefühl, die Leute verlieren den Blick nach außen. Es geht immer nur um einen Selbst. Versteh mich nicht falsch, es ist wichtig, sich um sich selbst zu kümmern. Aber in der Szene nehme ich zu viel ICH-ICH-ICH wahr.

Ich wünsche mir, dass Grundlagen für einen guten Zugang zu sich selbst bereits in der Schule vermittelt werden. Habt ihr da politische Diskussionen angestoßen?

Wir haben Schul-Workshops entwickelt das Konzept als Aufklärung zum Thema seelische Gesundheit dem Schulsenat angeboten. Die Schüler kriegen zwar Aufklärung zum Thema Alkohol- und Drogenmissbrauch aber nichts zum Thema Suizid und Depression. Dass das nicht klappt oder ausreicht, sieht man an der Zurschaustellung des exzessiven Drogenkonsums im modernen Hip-Hop.

Mir geht es vor allem darum, dass die Jugendlichen aufeinander achten – gerade in der Pubertät, wo die Hormone tanzen. Da gibt es teilweise große Schwierigkeiten, über Gefühle zu sprechen. Mit Anweisungen, die nicht auf Augenhöhe sind, wie „Macht mal die Augen zu und fühlt in euch hinein“, kommt man da nicht weit. Es ist den Jugendlichen teilweise auch nicht bewusst, was in anderen vorgeht. Hey Leute, wenn euer Kumpel Paul immer voll gerne mit euch Basketball spielen gegangen ist, und plötzlich keinen Bock mehr darauf hat, bezieht es nicht auf euch selbst, sondern fragt euch, woran das liegt. Bleibt an Paul dran. Bei Mädchen ist es noch extremer. Die sind sehr schnell beleidigt, wenn sich jemand aus der Gruppe ausklinkt. Mein Sohn ist 17, dem sage ich: Wenn du merkst, einer deiner Kumpel ist gerade wirklich traurig und labil, und trinkt voll viel, versuche auf ihn zu achten. Sag ihm ruhig: Trink mal ein bisschen weniger, kiff mal ein bisschen weniger. Das ist natürlich viel verlangt, aber man kann Jugendliche dafür sensibilisieren. Wenn es bei Erwachsenen schon nicht klappt, sind zumindest die Jugendlichen meine Hoffnung. Achtet aufeinander. Tut es nicht ab! Von wegen es ist nur ‘ne Phase. Wir Erwachsenen sind selbst so blind. „Ist nur ne Phase, ist die Pubertät.“ Ich hasse diesen Satz! 

Manchmal kommen mir Gedanken Richtung Politik: „Wollt ihr eigentlich nicht, dass wir gesund werden?“ – Wieso werden Gesetze erlassen, die es den Menschen erschweren, sich zu entfalten?

Oh man, da triffst du einen wunden Punkt bei mir. Ich glaube, das hat viel mit Pharma-Lobbyismus zu tun. Ich bin nicht gegen Schulmedizin, aber vieles finde ich völlig schwachsinnig. Dieselbe Frage stelle ich mir nämlich auch.

Meine beste Freundin ist letztes Jahr an Krebs gestorben. Ich habe sie ein Jahr lang gepflegt. Wie schwer es war, hochprozentiges CBD-Öl zu bekommen. In Israel werden die Menschen damit behandelt. Es gibt tolle Ergebnisse dazu. Da musste ich erst ständig mit den Krankenkassen telefonieren, bis irgendwann mal gesagt wurde: „Ja, sie haben Recht. Wir verschreiben ihrer Freundin das.“ Und was das für eine Erleichterung war. Sie hatte weniger Schmerzen, hat mehr gegessen, besser geschlafen. Besser damit behandeln, als sie mit Morphium vollzupumpen. Das verstehe ich oft wirklich nicht. Und ich spreche es an! 

Auf der einen Seite haben wir ein tolles Gesundheitssystem, was man ja jetzt merkt. Auf der anderen Seite denkt man sich oft: Da wird so viel Geld reingesteckt. Man könnte es günstiger haben, Leute. Wirklich günstiger. Klar muss man diese Missstände ansprechen. Auf jeden Fall.

Und wie kommt es zu den Grabenkämpfen zwischen Schul- und Alternativmedizin?

Ich glaube an Homöopathie. Und mir ist klar, dass ganz viele Leute nicht daran glauben, weil sie sagen, es ist ein Placebo – aber die muss ich ja nicht überzeugen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wirkt. Nichtsdestotrotz verneine ich nicht die Schulmedizin. Mir ist auch klar, dass man es nur bis zu einem bestimmten Punkt alternativ probieren kann. Aber warum muss man immer gleich Antibiotika geben?

Mediziner werden leider so ausgebildet: keine fünf Schritte weiterdenken oder gar das Gesamtbild betrachten. Ich empfinde Homöopathie oder Osteopathie als ganzheitlich. Sie schauen nach dem, was unter den Symptomen liegt. Wenn der Homöopath kein medizinisches Fachwissen hat, ist das auch schwierig. Ich hatte mal einen Nabelbruch und meine schulmedizinisch ausgebildete Homöopathin sagte: „Du musst sofort ins Krankenhaus, dein Nabel ist gebrochen und die Bauchdecke drückt sich schon nach oben.“ Ich fände es toll, wenn Alternativmedizin ins Studium mit aufgenommen werden würde. Wenn man sagt: Ihr Orthopäden könnt noch eine osteopathische Ausbildung mit dazu nehmen, Allgemeinärzte können sich noch in Homöopathie oder Bachblüten ausbilden lassen.

Ich fände es toll, wenn meine Reihe dazu beiträgt, dass Schul- und Alternativmedizin miteinander ins Gespräch kommen. 

Das wäre toll. Und da kommt meine Berufung ins Spiel. Ich bin Kommunikationsexpertin. Ich habe es dem Gesundheitsministerium oft gesagt: Ihr wollt eine bestimmte Gruppe ansprechen? Benutzt mich und uns von Freunde fürs Leben als Experten. Ich finde deren Kommunikation nach außen oft sperrig. Ich habe es auch meiner Homöopathin gesagt: Ich mag Jan Böhmermann, aber er bezeichnet euch als Scharlatane. Ihr braucht jemanden, der euer Anliegen nach außen richtig kommuniziert, sonst geht ihr unter. Die Medien stürzen sich nur auf die Leute, die laut herumschreien und da hat der Homöopathieverband leider zu leise auf die Vorwürfe der Homöopathie-Gegner reagiert.

Fühlst du dich für deine Arbeit gesellschaftlich wertgeschätzt?

Ich liebe Pressearbeit, wirklich – weil ich es für wichtig halte! Aber viel Pressearbeit ist oft so schlecht gemacht, gerade im Gesundheitsbereich. Wir PR-Leute haben so einen schlechten Ruf. Wir werden gehasst, weil viele das Gefühl haben, dass wir ihnen etwas verkaufen wollen. Aber in der PR geht es nicht ums Verkaufen, sondern ums Informieren – damit du dich im Dschungel besser zurecht findest.

Bildquellen: Diana Doko

Online: https://www.frnd.de/

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